Fräulein Rabbiner Jonas - Ausstellung der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum vom 04. Dezember 2010 – 04. April 2011 - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Juedisches Leben



AVIVA-BERLIN.de 3/3/5785 - Beitrag vom 01.12.2010


Fräulein Rabbiner Jonas - Ausstellung der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum vom 04. Dezember 2010 – 04. April 2011
Britta Meyer

Vor 75 Jahren wurde Regina Jonas als erste Frau weltweit zur Rabbinerin ordiniert. Initiiert von der Rabbinerin Gesa Ederberg zeigt die Ausstellung ihr Leben, Wirken und Schicksal, sowie ihre...




... posthume Wirkung. Die Diskussionen und Kämpfe, die Regina Jonas auf dem Weg zur Rabbinerin zu führen hatte, sind immer noch aktuell.

In der Ausstellung wird deutlich, dass mit Rabbinerin Jonas` Tod in Auschwitz 1944 eine Entwicklung zerstört wurde, die erst mit jahrzehntelanger Verspätung wieder Fuß fassen konnte – die nächste Frau wurde erst 1972 in den USA ordiniert, und es sollte bis 1995 dauern, bis mit Rabbinerin Bea Wyler die erste Frau in Deutschland amtierte.

Ihr Leben und Wirken

Als Tochter des Kaufmanns Wolf Jonas und seiner Frau Sara, geborene Hess, wurde Regina Jonas am 3. August 1902 in Berlin geboren. Sie absolvierte das öffentliche Oberlyzeum und erhielt 1924 die Lehrbefähigung für höhere Mädchenschulen. Anschließend begann sie ein Studium an der liberalen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, welches sie dadurch finanzierte, dass sie an verschiedenen Lyzeen Unterricht gab. Am 22. Juli 1930 bestand sie ihre mündliche Schlussprüfung. Ihre schriftliche Arbeit trug den provozierenden Titel: "Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden?", eine Fragestellung, die sie abschließend mit der Schlussfolgerung, dass dem "außer Vorurteil und Ungewohntsein fast nichts" entgegenstehe, beantwortete. Die Arbeit wurde mit "Gut" bewertet, doch Jonas` Abschlusszeugnis weist sie nicht als Rabbinerin, sondern lediglich als akademisch geprüfte Religionslehrerin aus.

Der Offenbacher Rabbiner Dr. Max Dienemann, Geschäftsführer des "Liberalen Rabbiner Verbandes", erklärte sich 1935 schließlich bereit, Jonas im Auftrag des Verbandes mündlich zu prüfen und nach bestandener Prüfung zu ordinieren. Die Jüdische Gemeinde in Berlin beschäftigte sie auch danach nur als Religionslehrerin, allerdings durfte sie zusätzlich die "rabbinisch-seelsorgerische Betreuung" in jüdischen und städtischen sozialen Einrichtungen übernehmen. Im Trausaal vor dem eigentlichen Synagogenraum konnte Jonas religiöse Feste für Jugendliche und Erwachsene leiten, trug dabei auch Talar und Barett, die Kanzeln der Synagogen blieben ihr aber weiterhin verwehrt. Zwei im Auftrag der Betenden eingereichte Gesuche, sie endlich in der Neuen Synagoge predigen zu lassen, waren ungehört geblieben und sollten dies auch bleiben.

Nach 1938 stieg die Zahl der jüdischen Gemeinden, die ohne religiöse Betreuung waren, weil ihre Rabbiner durch das nationalsozialistische Regime zur Ausreise gezwungen oder deportiert worden waren. Im Auftrag der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland reiste Jonas zu derartigen Gemeinden, um zu predigen und Seelsorge zu leisten. Die Personalverwaltung der jüdischen Kultusvereinigung zu Berlin bat sie erst 1942 um die Übersendung der Zeugnisse ihrer rabbinischen Ausbildung. Die Rabbinerin selbst hatte offenbar nie an Auswanderung gedacht. Bis zu ihrer eigenen Deportation nach Theresienstadt am 6. November 1942 wirkte sie weiter als Rabbinerin, und auch später im Konzentrationslager setzte sie ihre Arbeit fort. Sie betreute Neuankömmlinge, verfasste und hielt Vorträge und Predigten. Am 12. Oktober 1944 wurde sie in das KZ Auschwitz-Birkenau verbracht und dort am 12. Dezember 1944 ermordet.

Verschwiegen und vergessen

In den Jahren nach dem Krieg geriet Regina Jonas fast völlig in Vergessenheit. Soweit bekannt, wird sie von keinem der prominenten Überlebenden Theresienstadts in deren Schriften auch nur erwähnt. Spuren ihres Lebens finden sich nur in ihrem bescheidenen Nachlass, der für die Forschung erst im Zuge der deutschen Wiedervereinigung zugänglich gemacht wurde. Als 1972 Sally Priesand als erster weiblicher Rabbi der USA ordiniert wurde, sprach die Presse vom "weltweit ersten weiblichen Rabbi". Erst Forschungen der amerikanischen Wissenschaftlerin Katerina von Kellenbach in Ostberliner Archiven 1991 brachten die Geschichte der ersten weiblichen Rabbinerin in das Gedächtnis zurück.


Regina Jonas sah sich als gleichberechtigt neben ihren männlichen Kollegen:

"Ich kam zu meinem Beruf aus dem religiösen Gefühl, daß G´tt keinen Menschen unterdrückt, daß also der Mann nicht die Frau beherrscht ... vom Gedanken der letzten und restlosen geistigen, seelischen, sittlichen Gleichberechtigung beider Geschlechter..."

Die Ausstellung "Fräulein Rabbiner Jonas - 75 Jahre Ordination zur Rabbinerin" spannt den Bogen bis heute, zum Schluss werden 24 weitere "erste" Rabbinerinnen vorgestellt, einschließlich der jüngst ordinierten Alina Treiger.

Die Eröffnung am Samstag, den 04. Dezember 2010, um 17:30 Uhr, wird mit Hawdala (der Zeremonie zum Schabbatausgang) und dem Zünden der Chanukkakerzen in der Synagoge stattfinden.
Der Gottesdienst am Schabbat-Morgen ist Regina Jonas gewidmet, ebenso wie am Nachmittag stattfindende Workshops.
Hierfür ist eine Anmeldung notwendig unter rabbinat.ederberg@jg-berlin.org.

Veranstaltungsort: Synagoge Oranienburger Straße
Oranienburger Straße 29-31
D-10117 Berlin
www.or-synagoge.de


Weiterlesen auf AVIVA-Berlin: Interview mit der Rabbinerin Elisa Klapheck

(Quelle: haGalil.com)


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Beitrag vom 01.12.2010

Britta Meyer